Änderung der Vogelschutzrichtlinie bezüglich der Nonnengans
Zu TOP 27 der heutigen Landtagssitzung sagt die umweltpolitische Sprecherin der Landtagsfraktion von Bündnis 90/Die Grünen, Silke Backsen:
Sehr geehrte Frau Präsidentin, liebe Kolleg*innen,
die norddeutsche Tiefebene ist traditionell eines der bedeutendsten Durchzugs- und Rastgebiete für ziehende Wasservögel in Europa. Die Schwärme der nordischen Gänse waren schon immer ein charakteristischer Bestandteil der schleswig-holsteinischen Landschaft. Während viele Wiesenbrüter wie Feldlerche, Kiebitz und Uferschnepfe infolge der Intensivierung der Landbewirtschaftung immer seltener werden, profitieren einige Gänsearten vom Anbau energiereicher Pflanzen in den Rast- und Überwinterungsgebieten und von der allgemeinen Eutrophierung der Landschaft.
Die Population der Weißwangengans - auch Nonnengans genannt - hat in den letzten Jahren deutlich zugenommen und hält sich seit einiger Zeit stabil auf einem hohen Niveau. Das ist zunächst einmal ein Erfolg des Naturschutzes.
Der Bestandsanstieg dieser Art ist neben dem oben genannten Schutz auch darauf zurückzuführen, dass Klimaveränderungen und mildere Winter für bessere Bedingungen sorgen, und dass ein Anstieg des Bruterfolges vor allem durch ein großes Angebot an nährstoffreicher Nahrung auf landwirtschaftlichen Flächen zurückzuführen ist.
Die Gänse weichen aufgrund der Zerstörung ihrer natürlichen Habitate mehr und mehr auf landwirtschaftliche Flächen aus. Dies führt in vielen Bereichen an der Westküste - in der Marsch, auf Eiderstedt und auf den Inseln - zu einem großen Konflikt mit der Landwirtschaft, da die Gänse extreme Fraßschäden anrichten. Das Problem ist seit vielen Jahren bekannt und hat sich in den letzten Jahren regional und lokal verschärft.
Ich selbst weiß aus eigener Erfahrung, wie verzweifelt die Landwirt*innen sind. Ich kann nachempfinden und sehr gut nachvollziehen, dass die betriebliche Situation bei einigen darunter leidet. Ich weiß allerdings auch, dass Notsituationen auf den Betrieben niemals nur eine Ursache haben. Hinzu kommt, das muss man dann fairerweise auch sagen, dass abgefressene Flächen zum Teil in einem wüchsigen Frühjahr und Frühsommer eine hohe Resilienz zeigen. Es gibt also keine einfachen Antworten auf dieses Problem.
Die Anfrage an die EU-Kommission zur Aufnahme der Weißwangengans ist bereits erfolgt. Die Weißwangengans würde bei einer positiven Antwort im Anhang II geführt und wäre jagdbares Wild mit regulären Jagd- und Schonzeiten. Die Bejagung wäre dann ein weiterer Baustein im Management dieses Problems.
Der Fokus sollte allerdings auch auf die bereits möglichen Maßnahmen und deren Ausweitung gelegt werden: bessere Vertragsnaturschutzmuster, die bereits in Arbeit sind, landwirtschaftliche Anbaustrategien im Hinblick auf weniger attraktive Pflanzen, flexiblere Entschädigungsmodelle, beispielsweise eine Richtlinie für Ausgleichszahlungen für Gänsefraßschäden an Sommerungen, die ist in Abstimmung im Landwirtschaftsministerium und geht dann zur Notifizierung an die Kommission, ein angepasstes Management der landeseigenen Flächen, alternative Möglichkeiten und Unterstützung zur Tierfutterbeschaffung in „Hotspots“, also in den Gebieten, in denen die Schäden überproportional hoch sind.
Ein gemeinsamer Austausch mit Niedersachsen sowie Dänemark und Holland, mit dem Blick auf gemeinsame Lösungen, muss intensiviert werden. Wir müssen weiterhin vor Ort mit den Betroffenen nach Lösungen suchen und alle Seiten müssen bereit sein, Dinge zu verändern, zu akzeptieren und aufeinander zuzugehen. Und auch hier spreche ich aus Erfahrung und weiß, wie emotional und wenig sachlich die Debatten oft geführt werden.
Gleichzeitig benötigen wir aber auch dringend einen Umbau und eine Ökologisierung der Landwirtschaft. Regionale Wertschöpfungsketten und die Vermarktung lokaler Produkte vor Ort können ebenfalls eine Lösung sein. Dies müssen wir unterstützen, auch im Hinblick auf neue Betriebswege und Wirtschaftszweige.
Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.
Es gilt das gesprochene Wort!