Aus dem Juni-Plenum im schleswig-holsteinischen Landtag zu TOP5: Entwurf eines Gesetzes zur Beschleunigung von Planungs- und Genehmigungsverfahren im Infrastrukturbereich
Planungsbeschleunigung ist aktuell in aller Munde. Gerade beim Ausbau der erneuerbaren Energien sollen Planungs- und Genehmigungsverfahren beschleunigt werden – der Ausbau der erneuerbaren Energien liegt im überragenden öffentlichen Interesse, weil der Klimawandel unsere Lebensgrundlagen bedroht.
In Bereichen kritischer Infrastruktur – also für einige wenige ausgewählte Bereiche - sehen wir eine außergewöhnliche Dringlichkeit und eben ein überragendes öffentliches Interesse. Ehrlicherweise ist in den letzten Jahren bezüglich Planungsbeschleunigung und Transformation seitens des Bundes und vor allen Dingen des BMWK sehr viel passiert, mehr als in allen Koalitionen vorher, wie wir zum Beispiel beim Ausbau der Windkraft sehen. Wir haben uns hier in Schleswig-Holstein im Koalitionsvertrag darauf verständigt, im Laufe dieser Legislatur ein Normenscreening durchzuführen. Dadurch sollten bestehende Regelungen überprüft und mögliche Beschleunigungspotenziale auch bei uns identifiziert werden.
Der Bericht über das Normenscreening der Landesregierung wurde dem Parlament im vergangenen Jahr vorgelegt. Der jetzige Gesetzentwurf zur Beschleunigung von Planungs- und Genehmigungsverfahren im Infrastrukturbereich ist die logische Konsequenz aus diesem Bericht – denn die Potenziale lassen sich eben nur heben, wenn man sie nicht nur erkennt, sondern auch umsetzt. Ein erster Teil der Ansätze zur Beschleunigung wird mit diesem Gesetzesentwurf daher erledigt.
Wir stehen vor einer gewaltigen Transformation - der Größten, vor der die Menschheit jemals stand. Wir müssen die Emission von CO2 in allen Sektoren schnellstmöglich reduzieren. Auch dazu haben wir uns im Koalitionsvertrag verständigt – klimaneutrales Industrieland bis 2040 – das ist die Zielmarke, um die es geht. Damit diese Transformation gelingt, benötigen wir auch eine leistungsfähige und moderne Infrastruktur. Damit Verfahren zügiger geplant und umgesetzt werden können, müssen wir Bürokratie-Hürden abbauen.
Die konkreten Ziele des Entwurfs sind zum Beispiel:
• Eine effizientere Gestaltung der Planungs- und Genehmigungsverfahren im Straßenbereich bei größeren Gemeinde-, Kreis- oder Landesstraßen
• Beschleunigung Neu- und Ausbau von kürzeren straßenbegleitenden Radwegen. In weiten Teilen soll eine standortbezogene Umwelt-Verträglichkeits-Vorprüfung entfallen
• Künftig sollen Vorhabenträger bereits vor einem Planfeststellungsbeschluss zusätzliche Vorarbeiten machen dürfen, etwa nach Kampfmitteln oder archäologischen Artefakten suchen und in bestimmten Fällen können auch die Bauarbeiten vorzeitig beginnen
Wir haben bisher in Schleswig-Holstein als Energiewende-Land Nummer eins doch auch bewiesen, dass wir Windkraft bei hohen Naturschutzstandards und unter aktiver Beteiligung und Akzeptanz der Bevölkerung bauen können.
Dies gilt auch für den Ausbau der Stromnetze und Leitungen, hier arbeiten wir in allen Verfahren mit einer frühen Bürger*innenbeteiligung.
Genau deshalb brauchen wir feste Verfahren und Regeln, wir brauchen aber auch immer eine Abwägung der Interessen.
Es ist auch richtig, Regelwerke von Zeit zu Zeit zu überprüfen und an veränderte Bedürfnisse und Rahmenbedingungen einer Gesellschaft anzupassen. Hier ist der vorliegende Entwurf ein richtiger erster Schritt und ich begrüße das schnelle Engagement der Landesregierung in diesem Punkt ausdrücklich. Wir haben einen ersten Anfang gemacht, weitere Punkte werden folgen – auch das hat der Minister bereits gesagt. Es bleibt jedoch auch richtig, eine Formulierung, wie etwa das „überragende öffentliche Interesse“ nicht leichtfertig zu verwenden und auf jedes Projekt anzuwenden.
Planungsbeschleunigung ist aktuell in aller Munde – wir müssen aber auch erkennen, dass eine Abwägung bestimmter Interessen wichtig ist und dass wir – so wie wir jeden Euro nur einmal ausgeben können – auch jeden Quadratmeter Fläche nur einmal nutzen beziehungsweise versiegeln können. Fläche ist ein kostbares Gut und wir haben alle Ansprüche – manchmal auch sehr individuell. Wenn wir alle immer von den Menschen „vor Ort“ reden und diese mitnehmen wollen, dann können deren Bedürfnisse doch nicht immer das größte Problem sein.
Wenn wir also verschiedene Dinge gegeneinander abwägen müssen, müssen wir auch für die Natur, für unsere Lebensgrundlagen und die biologische Vielfalt sprechen.
Großprojekte stehen immer auch für einen Eingriff in die Natur, bestehende Gesetzgebungen zum Naturschutz dürfen nicht ausgehöhlt werden. Das ist unsere Verantwortung - nicht ohne Grund haben wir dies auch in unser Grundgesetz geschrieben.
Wenn wir also diskutieren wollen, was von überragendem öffentlichem Interesse ist, dann sprechen wir aus meiner Sicht gerne auch über den beschleunigten Ausbau von Naturschutzgebieten und zum Beispiel Ausgleichsflächen. Schnelligkeit darf nicht zum Selbstzweck werden. Am Ende muss es uns um den Klimaschutz und um den Erhalt der biologischen Vielfalt gehen – Hand in Hand!